Ein Azubi packt aus

Wenn ich das gewusst hätte, wär ich schon als Baby lieber gleich im Bett geblieben. Wie habe ich mich danach gesehnt, dass die Schule endlich hinter mir liegt. Und jetzt das. Ausbildung. Aus der Pfanne direkt ins Feuer, würden die Engländer sagen.

Ich hab es deutlich gesehen, das Augenrollen der Personalleiterin und des Betriebsratsvertreters beim Einstellungsgespräch. Die haben mir sofort angesehen, dass ich nicht ausbildungsfähig bin, weil ich in der Schule eh nur Ballerspiele zocken und Drogen dealen gelernt habe. Wenn sie mir tatsächlich eine entsprechende Frage gestellt hätten, die passende Antwort hätte ich schon parat gehabt: „Das eine zeugt doch wenigstens von meinem technischen Verständnis und das andere deutet darauf hin, dass ich rechnen kann.“ 

Das „Herzlich willkommen“ konnte ich irgendwie nicht so richtig glauben.

Jetzt bin ich seit fast einem Jahr dabei und mittlerweile ist mein Fell schön dick geworden, nur manchmal juckt es bei all den gut gemeinten Ratschlägen, die du als Berufsanfänger bekommst. Einen guten Spruch kann ich natürlich vertragen, aber wenn mir jemand im Jahr 2014 noch erklärt, dass „Lehrjahre keine Herrenjahre“ sind, muss ich mich wirklich fremdschämen. Dabei sollten sie, die Alteingesessenen, mich eigentlich hofieren und mir auf Knien danken, dass ich einmal ihre Arbeitsplätze sichere. Fachkräftemangel und so. Na, wenn ich mit der Ausbildung fertig bin, bin ich auf jeden Fall schon mal Fachkraft für Kaffee kochen und Brötchen holen, soviel ist klar.

Mein Kumpel, der im Straßenbau gelandet ist, lernte zuallererst, wie einer den Spaten hält, drei dabei zusehen und alle zusammen unheimlich beschäftigt wirken, während er selbst buddelt und eimerweise Schweiß vergießt. Der ahnt gar nicht, dass das auch mit Mikroskopen und Pipetten geht. In unserem Labor ist es nämlich kaum anders. Kompetenz ist bekanntlich Berufsjahre plus Routine mal Lebensalter. Oder so. Und das Ganze geteilt durch wichtig, ergibt Betriebsrat. Was der so tut, weiß ich nicht, aber lauert hinter jeder Ecke, immer dicht gefolgt von einem Vertreter der Bonusagentur, der mich ausgiebig über meine Altersvorsorge beraten möchte.

„Hey, ich bin gerade 18!“, empöre ich mich. Soviel Sicherheit macht mich schon ein wenig unsicher. Ich hab es ja eingangs schon gesagt, wenn ich gewusst hätte, worum man sich als Azubi alles kümmern muss – du stehst ganz am Anfang und sollst permanent schon ans Ende denken. Mach ich ja. Ich denke an das Ende dieses Arbeitstages. Und wenn ich darin noch ein wenig Zeit habe, kann ich mich auch mal um die Arbeit und meine Ausbildung kümmern.

Alles wird gut. Und nächsten Monat kommt ja schon der neue Jahrgang, dann gehöre ich schon zu den Alten und Eingesessenen.

René, Chemikant im 1. Lehrjahr

Lust auf mehr?

Bonus-Angebote

Profitieren Sie von den Angeboten der Bonus-Agentur